Am Hafen |
Auszug:
Der Gesichts-Rekonstrukteurin Charlotte Behms klangen noch Storms
Schmeicheleinheiten in den Ohren. »Erwecken Sie es zu neuem Leben, soweit das möglich ist«, hatte er unter Einsatz seines ganzen
Altherrencharmes gesagt. »Wenn es jemand kann, dann doch Sie.
FBI-Ausbildung, ja, die hätte ich auch gern gehabt. Nun, nun, die Leiche soll wieder lachen können. Und wir
wissen dann, wer der Tote ist.«
Dass eine Rekonstruktion Wochen dauern könne, hatte er mit präsidialen
Bewegungen weggewischt. »Bitte! Wir brauchen das schnellste Ergebnis überhaupt, meine
liebe, meine hochverehrte Frau Behms, gelle?«, und überreichte ihr einen Weihnachtsstern, den sie
sofort weiterverschenkte.
»Was für eine Schmalzbacke, dieser Mann.«
***
Der Schädel war gesäubert und
eine zweidimensionale Zeichnung angelegt. Das maßstabgetreue Foto des
markierten Schädels diente als Vorlage. Anhand der Tabellen, in denen die Haut-
und Muskeldicke auf dem Schädel lebender Menschen vermessen worden waren, hatte
sie vergleichbare Daten, die zum Alter und Gewicht des Unbekannten passten,
gefunden.
Während der Rekonstruktion
blieb der Kopf mit allen Weichteilmarken sichtbar und sie konnte das Einhalten
der Maße ständig überprüfen. Muskeln waren inzwischen neu modelliert und den
Schädel hatte sie nun mit einer zweiten Schicht Modelliermasse überzogen. Die
Weichteilstärke entsprach der vorgegebenen Haut- und Fettgewebeschicht.
Wieder und wieder verglich sie
die sorgfältig erstellten Aufnahmen des Polizeifotografen, die noch vorhandene
Reste der Weichteile, die Haare, Ohren und Bartwuchs zeigten.
Stürmchen meint wohl, mittels
einer dämlichen Blume könne ich mal eben was auf den Schädel klatschen und
fertig ist er. Idiot! Schließlich bin
ich eine gefragte Expertin. Da muss die Polizei und vor allem der Herr
Staatsanwalt etwas mehr Geduld aufbringen. Die können von Glück sagen, dass ich
gerade eine freie Lücke hatte …
Die Glasaugen lagen eingebettet in den Plastilinhöhlen, Hals und der spärliche
Haarkranz waren hinzugefügt. Charlotte Behms hatte herausgefunden, dass ihm
sein Mörder die Kopfhaare abrasiert hatte. Dieses Bonbon würde sie Storm
nachreichen, wenn die Fotos für die Veröffentlichungen gemacht waren.
Das Modell zeigte ihr einen gutaussehenden Mann mit kantigen
Gesichtszügen und sah sehr viel anders aus als Hannes Roth. Und – die Leiche
lächelte wieder.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen